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„Viertel vor… Schritte wagen“

„Viertel vor… Schritte wagen“
August 2020 und unsere Kirche St.  Anton ist noch immer geschlossen. Der Umbau geht weiter, das neue st. anton entsteht, aber die Gemeindemitglieder können die Veränderungen nur aus der Ferne beobachten.  Vielen fehlen die gottesdienstlichen Feiern und der Besuch unserer Kirche. Wir alle brauchen viel Geduld und Durchhaltevermögen. Als kleinen Gruß anbei wieder ein paar Impulse und Gedanken zur sommerlichen Zeit. Vielleicht haben Sie Lust, sich darauf einzulassen.

Beginnen wir im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Lied:
Dass du mich einstimmen lässt in deinen Jubel, o Herr, GL 389, 1.-3. Strophe

Gebet:
Guter Gott, es ist Sommer geworden, ein ganz anderer Sommer als sonst. Die Corona-Krise drückt in diesen Wochen den Freizeitbeschäftigungen und Urlaubsreisen ihren Stempel auf. Vieles ist nicht erlaubt, anderes kann nur unter bestimmten Bedingungen durchgeführt werden. Es ist ganz schön anstrengend, die jeweils gültigen Vorschriften zu kennen und zu beachten. Aber auch in dieser Zeit bist du bei uns, lass uns das immer wieder spüren und schenke und schenke uns Leichtigkeit und Freude, damit wir diese Zeit trotz allem genießen können.  Amen.

Impuls:
Hildegard von Bingen wird oft nur mit Heilkräutern in Verbindung gebracht. Das wird ihrer jedoch nicht gerecht. Die Heilige hatte mannigfaltige Talente, sie war  Schriftstellerin, Komponistin, Ärztin und Ernährungswissenschaftlerin. Stets hat sie sich eingemischt, wo es nötig war - sogar in der Politik. Unbeirrt hat sie ihren Einfluss geltend gemacht, wo immer es ihr möglich war.  

Für mich heute stellt sich heute die Frage: Was kann ich leisten, wo liegen meine Talente? Was kann ich persönlich jetzt in der Corona-Krise tun? Nutze ich meine Begabungen oder traue ich mich das nicht, weil ich eine Frau bin?

Guter Gott, Dein Licht leuchtet in der Finsternis. Vor Deinem Licht bleibt nichts verborgen. Niemand ist von dir vergessen. Du hast uns alle mit unterschiedlichen Talenten und Fähigkeiten ausgestattet und willst, dass wir sie zum Heil der Welt und zum Wohl der Menschen einsetzen. Für diese Aufgabe schenke uns die nötige Kraft und das nötige Selbstvertrauen. Amen.

Hildegard von Bingen hatte den Mut, sich gegen einflussreiche Männer zu stellen: Sie ließ einen exkommunizierten Edelmann innerhalb der Mauern des Friedhofs ihres Klosters Rupertsberg beerdigen. Dieser hatte sich kurz vor seinem Tod mit der Kirche ausgesöhnt, was das Bistum Mainz jedoch nicht anerkannte. Hildegard kämpfte gegen das Interdikt und erreichte nach langer Zeit, dass es zurückgenommen wurde.

Für mich heute stellt sich die Frage: Wie halte ich es mit dem „Weg des geringsten
Widerstandes“? Was denken die Menschen von mir, die mich kennen und mögen? Kann ich ihre Meinung aushalten, gerade dann wenn unsere Ansichten verschieden sind? Traue ich mich, im Zweifelsfall auch „aus der Reihe zu tanzen“, mich dem Spötteleien Anderer auszusetzen?

Guter Gott, dein Sohn Jesus begehrte gegen Hierarchien auf und stritt mit religiösen Führern. Er blieb sich treu bis zum Tod am Kreuz. Wir sind berufen, am Reich Gottes weiterzubauen. Als Christinnen und Christen sind wir beauftragt, von der Hoffnung Zeugnis zu geben, die in uns ist. Für diese Aufgabe schenke uns den nötigen Mut. Amen.

Hildegard von Bingen war von vielen geachtet. Sie stand im Briefwechsel mit Päpsten und Königen, u.a. mit Kaiser Barbarossa, den sie offen kritisierte. Aber auch einfache und arme Menschen suchten bei ihr Rat und Hilfe. Offenheit für die Fragen und Nöte der Welt und tiefe Gottver-bundenheit waren für sie keine Gegensätze.

Für mich heute stellt sich die Frage: Wie steht es mit mir? Traue ich mich für meine Belange und für die von anderen einzustehen? Traue ich mich der Obrigkeit zu widersprechen indem ich mich z.B. für die Gleichberechtigung der Frauen in unserer Kirche einsetze?

Guter Gott, du bist die Sonne der Gerechtigkeit. Du willst, dass Deine Kirche sich immer wieder auf das Evangelium besinnt und sich erneuert. Durch die Taufe sind wir beauftragt, deine Frohe Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden, in dem Ungerechtigkeit keinen Platz hat. Durch Deinen Sohn Jesus Christus ist eine neue Wirklichkeit angebrochen. Er sammelte Jüngerinnen und Jünger um sich und lebte ein neues, gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern vor. Lass auch uns nicht nachlassen im Bemühen um diese Gleichberechtigung. Lass uns Kritik üben, unsere Talente einsetzen und schenke uns für diese Aufgabe den nötigen Mut. Amen

Lied:
Lass uns in deinem Namen, Herr, GL 446

Litanei:
Wir beten nun eine Litanei und antworten auf die einzelnen Anrufungen: Sei unser Vorbild.
Heilige Hildegard von Bingen, du hast in deinem Leben vieles bewirken können, obwohl du eine Frau warst. Zu dir rufen wir:

- du warst mit vielen Talenten gesegnet
- du hast dich eingemischt
- du warst eine selbstbewusste Frau
- du bist deinen Weg unbeirrt gegangen
- du hast deine Begabungen eingebracht
- du warst eine mutige Frau
- du hast auf dein Gewissen gehört
- du hast dich nicht an Konventionen gehalten
- du hast Missstände angeprangert
- du hast dich für Arme eingesetzt
- du hast die Obrigkeit kritisiert
- du warst mit Rat und Tat für andere da
- du warst offen für die Belange der Menschen
- du warst eine gottverbundene Frau
- du hast nicht den Weg des geringsten Widerstands gewählt
- du hast die Kritik anderer ausgehalten
- du warst eine ausdauernde Frau

Wir danken dir für das Beispiel, das du uns gegeben hast. Lass uns nach deinem Vorbild leben und so die Welt verändern, soweit es in unseren Möglichkeiten steht. Amen.

Besinnlicher Text
Hildegard von Bingen hat einmal gesagt: „Wer nicht sucht, der findet nicht. Der Strom fließt nicht zu den Menschen, die ihn zwar kennen, aber nicht zu ihm kommen wollen, sondern sie müssen zu ihm hinzutreten, wenn sie sein Wasser zu schöpfen begehren.“

Machen wir uns also auf den Weg, das Wasser des Lebens zu schöpfen, das uns Kraft und Mut verleiht. So werden wir gestärkt, um kraftvoll für unsere Anliegen, für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, einzutreten. Heilige Hildegard, sei uns ein Beispiel. Amen.

Lied:
Schweigen und hören, GL 433, 2 (zweimal wiederholen)

Gebet:
Gott, du Quelle des Lebens und der Weisheit, du hast die heilige Hildegard mit vielen Talenten ausgestattet. Hilf uns, unsere Talente zu erkennen und zum Wohl der Menschen einzusetzen. Lass uns für Gerechtigkeit und Nächstenliebe eintreten. Darum bitten wir dich durch Jesus Christus ....

Segen:
In dieser Sommerzeit segne uns der barmherzige und gnädige Gott, der uns mütterlich und väterlich, tröstlich und begeisternd, auch und gerade in der schwierigen Zeit der momentanen Krise begleitet. Es segne uns der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Lied:
Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.
Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täublein fliegt aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder.
Die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder
Ich selber kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen:
Ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen.
Ich hoffe, dass wir uns bald wieder bei einer Gebetszeit von „Viertel vor… Schritte wagen“ oder in einem Gottesdienst in unserer Kirche St. Anton sehen können. Bis dahin bleiben Sie gesund und behütet.

Herzliche Grüße, auch von Ingrid Baumann und Claudia Huttner,
Gabi Treutlein