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Predigten

Kinder erzählt man Geschichten, damit sie einschlafen - Erwachsenen, damit sie aufwachen

In seiner Predigt (26. Sonntag im Jahreskreis) geht Pfarrer Eschenbacher auf das Gleichnis Jesu ein, in dem er von einem reichen Prasser und dem armen Lazarus erzählt. Damit will uns Jesus "Dampf machen", uns für die Armen und Ausgegrenzten einzusetzen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Meine erste Reaktion auf das heutige Evangelium heißt: Recht so! Das ist ausgleichende Gerechtigkeit. Dem armen Lazarus wird zu seinem Recht verholfen und der reiche Prasser bekommt, was er verdient – er muss in der Hölle schmoren. Je länger ich mich allerdings mit dem Evangelium auseinandersetze, desto verstörender wird es.

Die Ausgangslage ist ja zunächst klar. Da ist ein reicher Prasser auf der einen Seite und der arme Lazarus auf der anderen Seite – wobei eigentlich direkt vor seiner Haustür. Obwohl also das Ganze in unmittelbarer Nähe geschieht, ist doch die gesellschaftliche Kluft zwischen den beiden so groß, dass der Reiche sich in keiner Weise um den Armen schert. Er übergeht ihn im wahrsten Sinne des Wortes, weil er über ihn drübersteigen muss, wenn er sein Haus verlässt. Nachdem sie gestorben sind, gibt es wieder eine große Kluft zwischen den beiden – allerdings umgekehrt: der Arme kommt in den Himmel, der Reiche in die Hölle.

Mein erster Impuls: „Gott schafft da ausgleichende Gerechtigkeit“ gerät bei längerem Nachdenken ins Wanken. Ist das wirklich gerecht, wenn jetzt nur die Verhältnisse auf der Erde umgekehrt werden: es also dem einen gut geht und dem anderen schlecht – und zwar auf ewig? Sollte nicht Gottes Gerechtigkeit anders aussehen?

Unwillkürlich denke ich auch an das Evangelium des vergangenen Sonntags: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet.“ Hätte sich der Reiche den Himmel erkaufen können? Fragen über Fragen…

Aber die führen mich noch nicht an das eigentliche Problem, das ich mit dieser Geschichte habe; das ist viel existentieller. Wenn ich nämlich ehrlich auf diese Erzählung schaue, muss ich feststellen, dass mir in dem Reichen ein Spiegel vorgehalten wird. Ich muss mich unwillkürlich mit dem Reichen identifizieren und das ist das Problem. Auch wenn ich nicht in Purpur gekleidet bin und Tag für Tag glanzvolle Feste feiere, so bin ich doch - gemessen an der Weltbevölkerung - reich und wenn ich nicht mit Scheuklappen durch die Welt gehe werde ich schnell erkennen, dass die Armut auch vor meiner Haustüre liegt.

Natürlich lässt mich das Schicksal von so vielen Armen nicht kalt und ich spende auch einiges von meinem Geld. Aber reicht das für Abrahams Schoß? Wie hoch ist der Preis dafür?

Das Thema macht mich auch immer wieder unsicher: wem soll ich etwas geben und wem nicht? Ich kann schließlich nicht die ganze Welt retten. Von wem werde ich ausgenutzt? Wenn ich etwas gebe, zieht das erfahrungsgemäß andere an – das überfordert mich… Sind das alles meine Gedanken zur Beruhigung meiner Seele oder ist das Thema wirklich so komplex und kompliziert? Irgendwie fühle ich mich ein Stück schuldig aber kann das im Sinne Jesu sein, jeden Tag mit Schuldgefühlen durch die Gegend zu laufen? Auch das kann ich mir nicht vorstellen, schließlich ist ja seine Botschaft eine befreiende und froh machende.

Bei all diesen Überlegungen fällt mir ein Satz ein, den ich einmal gelesen habe: „Kindern erzählt man Geschichten, damit sie einschlafen, Erwachsenen, damit sie aufwachen.“ Vielleicht ist das der Schlüssel zum Verständnis des Evangeliums, ohne dass ich es damit verharmlosen und seiner Brisanz berauben will. Jesus will mir mit der Erzählung vom Reichen und dem armen Lazarus die Augen öffnen, mich wachrütteln. Es geht ihm nicht darum zu beschreiben, wie es im Himmel aussieht, sondern darum zu zeigen, dass die Erde für viele Menschen zur Hölle geworden ist. Ich kann das Problem nicht leugnen, denn es liegt direkt vor meiner Haustür.

Es braucht vielleicht manchmal drastische Bilder, damit wir Menschen aufwachen – und die „bietet“ uns Jesus im heutigen Evangelium, damit ich vor meiner eigenen Müdigkeit und Selbstgenügsamkeit, die sich immer wieder einstellt, erschrecke. Es ist ja tatsächlich oft dieses „Ich kann ja doch nichts machen“-Syndrom, das lähmt. Natürlich kann ich etwas machen. Beim armen Lazarus heißt es in der Geschichte: „Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel.“ Das klingt ja fast sarkastisch, aber ich lese darin die Aufforderung, in kleinen Schritten etwas zu tun.

Ich kann in kleinen Schritten, in meinem Bereich etwas tun und andere animieren, es ähnlich zu machen. Damit ist schon einiges erreicht. Ich kann mich informieren, wo und wie es zu Armut kommt. Ich kann differenziert denken und argumentieren und damit manchen Pauschalurteilen trotzen, die von Wirtschaftsflüchtlingen, Faulenzern, oder Sozialschmarotzern schwadronieren. Ich kann spenden, Caritas, Diakonie, anderen Sozialverbänden usw. Ich kann mein Kaufverhalten überprüfen: Brauche ich wirklich das oder das, kaufe ich faire Produkte, wo Menschen einen fairen Lohn erhalten oder geht es mir nur um „billig“. Ich kann mich auch bei verschiedenen Einrichtungen ehrenamtlich engagieren, die sich um Arme kümmern usw. Die Stadtkirche hat derzeit eine Aktion rund um das Erntedankfest, wo die Möglichkeit besteht, an diesem und am nächsten Wochenende Lebensmittel für die Tafel in den Kirchen abzugeben. Auch das ein kleiner Schritt, an dem ich mich leicht beteiligen kann.

Kleinen Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen, Erwachsenen, damit sie aufwachen. Das Evangelium heute ist ein Wachmacher für mich im hier und jetzt, es will mir einheizen und Dampf machen, damit ich mich in kleinen Schritten für Gerechtigkeit einsetze und das in meiner Macht stehende unternehme, damit die Gräben zwischen Arm und Reich nicht weiter aufreißen, sondern kleiner werden. Normalerweise sind ja die Namen der Reichen bekannt und die Armen bilden eine "anonyme Masse". Bei der Geschichte Jesu ist es umgekehrt - auch das eine Tatsache mit Symbolcharakter. Der Name Lazarus bedeutet „Gott hilft“; ich bitte Gott, mir zu helfen, die richtigen Schritte zu tun.