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Predigt beim Gedenkgottesdienst für Papst Franziskus in Schweinfurt

Am Sonntag, 27. April fand in der Heilig-Geist-Kirche der Gedenkgottesdienst für Papst Franziskus für die Stadt Schweinfurt in der Heilig-Geist-Kirche statt. Die Predigt von Pfarrer Stephan Eschenbacher können Sie hier nachlesen

Liebe Schwestern und Brüder!

Nach dem Tod Jesu, so haben wir gerade im Evangelium gehört, schließen sich die Jüngerinnen und Jünger ein. Diese Reaktion ist zunächst verständlich. Wir kennen das auch bei uns: Wenn Dramatisches passiert, wollen wir lieber erst mal allein sein - für uns.

Die Jünger, die sich einschließen… das kann aber auch ein Bild für Kirche sein. Kirche steht immer in Gefahr, nur um sich selbst zu kreisen, sich im „inneren Zirkel“ einzuschließen oder gar einen „heiligen Rest“ sammeln und mobilisieren zu wollen als Bollwerk gegen die vermeintlich „schlechte Welt“. Gerade jetzt, wo die Relevanz von Kirche in der Gesellschaft abnimmt und wir zweifelsohne immer weniger werden (zumindest in Europa), ist die Gefahr sehr groß, zu sagen: „Wir bleiben lieber unter uns im geschützten Rahmen und pflegen unsere Sprache und Riten, die sonst kaum mehr jemand versteht. Das gibt vermeintlich Halt, aber ist das auch zukunftstauglich oder im Sinne Jesu?

Das Einschließen, das Unter-Sich-Sein-Wollen, hilft den Jüngerinnen und Jüngern jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil, es verschärft nur ihre deprimierende Situation. Und hätten sie das weiter so praktiziert, wüssten wir heute nichts mehr von Jesus und seiner frohen Botschaft. Genauso wird es uns heute als Kirche nicht helfen, wenn wir uns einigeln und meinen: wir sind die Guten und da draußen sind die Bösen.

Die Einstellung der Jüngerinnen und Jünger damals hat ein Ereignis grundlegend verändert: als Jesus sich ihnen als Auferstandener zeigt. Das hat ihnen Hoffnung gegeben und eine Aufbruchstimmung erzeugt. Das Evangelium erzählt, dass ER plötzlich mitten unter ihnen ist – der Auferstandene – wenn man so will: das blühende Leben tritt in den Raum. Man könnte auch sagen: Den Jüngerinnen und Jüngern hat Auftrieb gegeben, dass sie „dem Leben Raum gegeben haben“.

„Dem Leben Raum geben“ das ist die Botschaft des heutigen Evangeliums und darum geht es im Glauben grundsätzlich. Bestätigt wird dies durch den letzten Satz des Evangeliums: „Dies (das Johannesevangelium) ist aufgeschrieben… damit ihr durch den Glauben Leben habt in Jesu Namen.“

Wir machen uns als Kirche natürlich im Moment sehr viele Gedanken darüber, was die derzeitige Situation uns sagen will und wie wir damit umgehen sollen. Auch hier in Schweinfurt sind wir gerade dabei, uns sehr intensiv zu überlegen: Wie stellen wir uns Stadtkirche in Zukunft vor, was sind unsere Schwerpunkte, worauf wollen wir Wert legen, was ist uns wichtig? Das Evangelium heute gibt uns dafür ein Leitmotiv vor: Kirche bedeutet „dem Leben Raum geben“. Es geht also im Glauben darum Leben und Lebendigkeit spüren zu können, mehr an Lebensqualität zu ermöglichen, Hoffnung auf ein gutes und ewiges Leben zu vermitteln usw.

„Dem Leben Raum geben“ ist natürlich auch ein großes und erst einmal sehr allgemeines Wort, das konkretisiert werden will. Wenn wir heute diesen Gottesdienst feiern im Gedenken an Papst Franziskus, dann ist es mit Sicherheit sehr hilfreich zu überlegen, was er unter einer „lebendigen Kirche“ verstanden hat und welche Impulse er gesetzt hat, wie und wo Kirche „dem Leben Raum geben kann“.

1. Als erstes fällt mir ein: Papst Franziskus stand immer auf der Seite der Armen, der Geflüchteten, derjenigen, die sonst keiner sieht. Ihnen gab er eine gewichtige Stimme. Seine erste Pastoralreise führte ihn nach Lampedusa zu den Flüchtlingen. Seine Aufforderung, dass Kirche an die Ränder gehen muss, Kirche als Feldlazarett, oder auch die Aussage: „Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit krank ist“ werden in Erinnerung bleiben. Kirche gibt dem „Leben Raum“, wenn sie an die Ränder geht, wenn sie spürbar da ist für Menschen, wenn sie sich für Benachteiligte einsetzt. Das muss ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Pastoral sein und werden.

2. Papst Franziskus war jeglicher Klerikalismus zuwider und er hat auf Synodalität gesetzt. Wenn er auch mit dem deutschen "synodalen Weg" gehadert hat – warum auch immer – hat er dennoch versucht, auf weltkirchlicher Ebene möglichst viele Menschen an den Entscheidungen der Kirche zu beteiligen. Die Zeiten, dass einer das Sagen hat, und alle anderen zu folgen haben, sei es in einer Pfarrei, Diözese oder der Weltkirche ist hoffentlich vorbei. In diesem Punkt hat Franziskus Pionierarbeit geleistet. Und auch ich bin überzeugt: Wer heute Pastoral betreiben will, der muss sie nachhaltig betreiben. Und nachhaltige Pastoral setzt auf Synodalität. Es geht darum, möglichst viele am kirchlichen Leben und den gemeindlichen Entscheidungen zu beteiligen: Männer und Frauen, Haupt- und Ehrenamtliche, Kleriker und sog. Laien müssen sich auf Augenhöhe treffen können, aufeinander hören, gemeinsam Entscheidungen treffen und die Befähigung und Beauftragung erhalten, Dienste und Ämter auszuführen. Hier ist sicher noch viel Luft nach oben. Franziskus hat aber zumindest ein Fenster aufgemacht, das – hoffentlich – nicht mehr zu schließen ist.

3. Für Franziskus war die Schöpfung besonders schützenswert. In seiner auch über kirchliche Grenzen hinaus viel beachteten Enzyklika „Laudato si“ verbindet er Klimaschutz mit einer gerechten und sozialen Marktwirtschaft. Gerade für uns hier in Schweinfurt muss eine Pastoral der Zukunft auch die Arbeiterinnen und Arbeiter im Blick haben und ihre Probleme und Sorgen. Klimaschutz und eine soziale Marktwirtschaft, die nicht den Profit, sondern den Menschen und die Schöpfung an erster Stelle stellt, muss ein wichtiges Anliegen sein, für das sich Kirche hier vor Ort stark macht.

4. Und schließlich ein letzter Punkt: Franziskus hat immer der Pastoral den Vorrang vor der Dogmatik gegeben, oder mit den Worten Jesu ausgedrückt: „das Gesetz ist für den Menschen gemacht, nicht umgekehrt“. Dieser Ansatz hat ihm oft sehr viel Unverständnis eingebracht. Er hat bei den sog. Progressiven Erwartungen geweckt, die er wahrscheinlich nicht erfüllen konnte (oder wollte) und bei den sog. Konservativen ein Schreckgespenst heraufbeschworen, das unbegründet war (und ist). Papst Franziskus hat hier einfach im Sinne Jesu gehandelt. Oft spontan und unkonventionell. Denken wir an die wahrscheinlich berühmteste Fußnote der Kirchengeschichte in „Amoris Laetitia“, die wiederverheiratet Geschiedenen den Kommunionempfang erlaubt, was manche Kardinäle dazu veranlasst hat, ihn als Häretiker zu bezeichnen oder auch seinen Einsatz für die Segnung homosexueller Paare, was ganze Bischofskonferenzen gegen ihn aufgebracht hat. Auch hier hat er ein Fenster einen Spalt weit geöffnet – aber immerhin. Wer hätte das vor 15, 20 Jahren für möglich gehalten. Eine Pastoral, die dem Leben Raum gibt, stellt immer den Menschen über das Gesetz, den Einzelfall über allgemeine Richtlinien. Dies ist übrigens auch im heutigen Evangelium angedeutet. Die Apostel fragen den zweifelnden Thomas nicht „wo warst du letzten Sonntag“, sondern sie bezeugen: „Wir haben den Herrn gesehen.“

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Auferstehung Jesu ist das Zentrum unseres christlichen Glaubens. Wenn dem so ist, dann ist es unsere Aufgabe als Kirche und christliche Gemeinden dem „Leben – in all seinen Facetten – Raum zu geben.“ Dazu hat Papst Franziskus viele neue Wege eröffnet als „Pilger der Hoffnung“. Manche seiner Schritte waren - aus meiner Sicht - zu zögerlich, manche sehr langsam, manchmal ging es zwei Schritte vor und einen zurück. Vermutlich auch aus Angst, dass er nicht alle mitnimmt, oder dass manche so weit zurückbleiben, dass sie irgendwann eigene Wege gehen. Aber für seine Impulse, für sein Wirken als Papst, für seine Art und Weise, wie er dieses Amt glaubhaft gelebt hat, bin ich ihm sehr dankbar.

„Dem Glauben Raum geben“ bedeutet auch, die Hoffnung wach zu halten, dass der Himmel für uns alle offensteht, im Hier und Jetzt und auch in der Ewigkeit. So dürfen wir darauf vertrauen, dass Papst Franziskus in die himmlische Herrlichkeit eingegangen ist und dort das gefunden hat, wofür er sich hier auf Erden so vehement eingesetzt hat: Frieden. Deshalb, lieber Bruder Franziskus, Ruhe in Frieden. Amen.

Pfarrer Stephan Eschenbacher