Ein gewöhnlicher Dienstagvormittag im Oktober, so scheint es. Nieselregen und parkplatzsuchende Autofahrer. In der Friedhofstraße dunkel gekleidete Menschen, die dem Eingang des Hauptfriedhofs zustreben. In der Aussegnungshalle zündet Michals Mitarbeiterin Kerzen an. Zehn schwarze Urnen, zehn Namen, zehn weiße Rosen im Kerzenschein. Die Trauergäste nehmen still Platz. Kaum einer kennt einen. Sie trauern um die Menschen, die ohne Angehörige verstarben, allein und vergessen. Die Atmosphäre ist dicht und von spürbarer Demut. Einfühlsam lassen die Musiker erste Töne erklingen. „Ich steh‘ vor Dir mit leeren Händen, Herr…“.
Joachim Werb spricht vom Zeichensetzen, von „Erinnerung in einer Gesellschaft des Vergessens“, vom „Nachinnenwirken in unseren Herzen und Seelen“. Er wendet sich an ehemalige Freunde und Kollegen der Verstorbenen, an Nachbarn und Bekannte, an die Menschen, die gekommen sind, den letzten Weg zu begleiten. „Still, so still“, singt Sabine Boujoung und „Sound of Silence“.
Johannes Hofmann und Joachim Werb begleiten mit Gitarre und Klavier. Fast überirdisch schön diese Klänge. Christoph Rupprecht rezitiert ein Gedicht von Merbach.
Taschentücher werden verstohlen um die Augen getupft. „Hätte ich doch nochmal angerufen, wäre ich doch noch einmal hingegangen.“ Fragen, die berühren und Fragen bleiben werden.
Am Ende tragen die Trauerden die Urnen zur letzten Ruhestätte. Jede Urne findet einen Träger. Ein stiller Zug formiert sich und zieht zum Grab am Ende des Friedhofs. Jetzt scheint die Sonne und buntes Herbstlaub erstrahlt. Auf rotem Tuch finden die Urnen Platz, daneben weiße Rosen. Letzte Worte spricht Joachim, Johannes begleitet Sabine auf seiner Gitarre. Die um das Grab Stehenden singen „Von guten Mächten“. Sie fühlen sich längst verbunden. „Das war die schönste Trauerfeier, die ich je erlebt habe“, flüstert eine weißhaarige Dame. „Danke, dass sie das machen für diese Menschen“, eine Jüngere. „Er war so allein im Leben, doch jetzt hat er noch so viel Würde erfahren“, eine deutlich ergriffene Frau“. Blätter segeln sanft vom Himmel. Still und getröstet gehen die Menschen zurück, hinein in ihren Alltag.
Martina Werb