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Gemeinde Heilig Geist

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Phantasie ohne Grenzen – Orgelkonzert zwischen Himmel und Hölle in Heilig Geist

Eindrücke eines Konzertbesuchers des Orgelkonzertes von Martin Seiwert am 23.04.2023, 16.00 Uhr in Heilig Geist

Es war ein bemerkenswert sonniger Sonntagnachmittag in Schweinfurt. Viele tummelten sich auf den Straßen in der Nähe der Heilig Geist Kirche und bemerkten wohl gar nicht, dass ihnen der eigentliche, absolute Ohrenschmaus dieses Tages entging. Stadtkantor Martin Seiwert offerierte ein Programm, welches an Eindruckskraft, Virtuosität und künstlerischem Niveau weit über die Stadtgrenzen hinausstrahlen konnte. „Das bekommt man nicht alle Tage hier und auch anderswo geboten“ – so ein treffender Kommentar eines Konzertbesuchers. Und damit war nicht die besonders strahlende Sonne gemeint.
Knapp 100 Besucher konnten mit den Ohren und mit dem Herzen die Ambivalenz der nachösterlichen Zeit zwischen absoluter Trauer und lebendigster Auferstehungsfreude miterleben. Nach kurzer Korrektur des Programmstarts durchbrach die Wucht und dissonate Gewalt der „Inferno-Phantasie“ von Max Reger die gespannte Stille dieses Nachmittags. In jeder Sequenz der akustisch äußerst bildhaften Infernodarstellung war die Zerrissenheit, das Chaos und die Zerstörungskraft der Hölle spürbar. Man darf hier tiefste Gefühlsregungen des Komponisten vermuten. Meisterhaft im Spiel vermochte es der „Künstler“ (nicht nur Organist) Martin Seiwert die chromatischen Abwärtskaskaden und sich wieder aufbäumenden Kontrapunkte zu einem mitreißenden, aber dennoch transparente Bild des Infernos zusammenzufügen. Der wohltuende, fast fließende Übergang zur Sphäre des Purgatoriums mit etwas versöhnlicheren Klängen nutze die ganze Spiel- und Gestaltungsbreite der Konzertorgel in Heilig Geist aus. Einfühlsam und mit dem nötigen Respekt vor der inhaltlichen Dimension dieses Übergangs zwischen Himmel und Hölle, in dem sich menschliche Verzweiflung, aber auch Hoffnung wiederfindet, präludierte Seiwert die finale Doppelfuge. Transparent vorgetragen, nachvollziehbar in allen fugenhaften Durchführungen und thematischer Abwechslung, ließ Seiwert ein immer „himmlischer“ werdendes Bild der Endzeit entstehen, dass in typischer regerscher Vorliebe für Chromatik und atonale Anklänge musikalisch auf die große, jubilierende Schlußsequenz zusteuerte. Versöhnlich, ja optimistischen stand der Schlußakkord schließlich im weiten Kirchenraum. Da hinein konnte jeder Zuhörer noch einmal seine ganz persönlichen Bilder und Gefühle der gehörten Komposition legen.
Sicherlich für den Zuhörer wie für den Vortragenden äußerst herausfordernd bot dieses einmalige Hörerlebnis alles, was das Thema „Auferstehung“ und „Weitergehen“ mit sich bringt. Ein Hochgenuß! Dank auch an den Mut, dieses Stück in das Konzertprogramm mit aufzunehmen.
Leichter zugänglich, aber dennoch von höchster Präzision getragen, war die dann folgende Triosonate Von J. S. Bach. Sie stellte einen attraktiven Gegenpol dar. Die klare Stringenz der Komposition und das spielerische Ineinandergreifen der Motive ließen vor dem geistigen Auge tatsächlich ein barockes Kammerensemble auftauchen, das den Geschmack der damaligen Zeit bediente. Wer sich in dieser Epoche, immerhin 2 Jahrhunderte zurückversetzt, musikalisch aufgehoben fühlt, fand in diesen 3 Sätze genau das Richtige zum Wohlfühlen.
Schließlich wurde der Bogen wieder ins 19. Jahrhundert geschlagen, indem César Franck mit seiner markanten Art der Komposition Phantasie und Gefühle beim Zuhörer weckt, die die ganze Bandbreite menschlichen Lebens umfasst. Schlicht als „Großes Symphoniestück“ bezeichnet war das filigrane Werk doch weit mehr. Versöhnlich in der Harmonik, deutlich, zum Teil fast verspielt im Umgang mit den verschiedensten Motiven konnte man sich mühelos in die Szenerien französischer Städtchen, Hügel- und Wiesenlandschaften versetzt fühlen. Immer wieder waren Anklänge an bekannte Kirchenlieder zu entdecken, die sich dann wieder in den facettenreichen Klangbilder auflösten. Rhythmik, Tempo und nahezu losgelöste Vielstimmigkeit stellen an den Organisten höchste Anforderungen, die dieser auch mit Bravour meisterte. Das Konzerterlebnis dieses Stückes mit der Orgel in der Kirche Heilig Geist und Martin Seiwert an diesem Instrument dürfte dem der Uraufführung in Paris durch den Titularorganisten und Komponisten in nichts nachgestanden haben.
Insgesamt eine packende und erlebnisreiche Konzertstunde an diesem sonnigen Nachmittag, die auch mit standing ovations und dem vielfachen Strahlen auf den Gesichtern der Zuhörer quittiert wurde. Man darf hoffen und wünschen, dass solche Konzerterlebnisse durch den Stadtkantor immer wieder ermöglicht werden. Zeigt er doch dabei, dass Beruf und Berufung, Organist- und Künstlersein, ganz eng beieinander liegen und so zu einem kulturellen und spirituellen Gewinn für die ganze Stadt und darüber hinaus werden können.

Joachim Werb, ein Konzertbesucher