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Gemeinde St. Anton

Gemeinde St. Anton Dach

Neues ökumenisches Projekt der Stadtkirche zum Thema Trauer

Trauerfeier für Verstorbene ohne Angehörige

Überwältigendes Zeugnis von Mitgefühl, sozialem Bewußtsein und Zusammenhalt gerade an der Schwelle des Todes

Dem allseits beobachtbaren Trend zur Anonymität, zum Zerbrechen des sozialen Zusammenhalts und zum Verlust empathischen Bewußtseins für das Leben der Mitmenschen wurde am 24.04.2024 in der Trauerhalle des Hauptfriedhofes etwas entgegengesetzt, was Hoffnung macht und zeigt, das Schweinfurter Bürger auch in schwierigen Zeiten füreinander da sind und aneinander denken. Diese neue Form des Umgangs mit anonymen Sterben und Verabschieden traf wohl den Nerv der Zeit und überwältigend viele Menschen begleiteten den letzten Weg der Verstorbenen ohne Angehörige in dieser Trauerfeier. Diakon Joachim Werb, einer der Initiatoren, ist besonders davon beeindruckt, das viele anwesend waren, obwohl sie gerade keine persönliche Verbindung zu den 15 verstorbenen Personen hatten.
Als Zeichen gelebter Solidarität in Schweinfurt war diese Zusammenkunft auch ein wichtiger Beitrag für die soziale Kultur der Stadt, weit über religiöse oder erinnernde Momente hinaus.

Der Erfolg dieser Startveranstaltung (genaue Beschreibung siehe folgender Artikel in der Mainpost von Uwe Eichler) macht Mut zur Wiederholung und stimmt tröstlich gegen alle soziale Kälte und Verrohung der Gesellschaft.

Joachim Werb

Uwe Eichler, Mainpost, 27.04.2024

Es geht um Vergänglichkeit, in einem bekannten Song von Eric Clapton, „Tears in Heaven“, aus dem Jahr 1991: "Wenn ich dir jetzt da oben im Himmel begegnen würde, würdest du mich dann wiedererkennen? Wüsstest du überhaupt noch, wie ich heiße?" Geprägt wurde die Ballade vom Unfalltod seines kleinen Sohns Conor, der kurz zuvor aus dem Fenster eines New Yorker Hochhauses gestürzt war.

In der Aussegnungshalle des Hauptfriedhofs gab es nun, erstmals in Schweinfurt, eine Trauerfeier für Menschen ohne Angehörige, die mit der Melodie von "Tears in Heaven" begann. Zur stilvolle Zeremonie für 15 Menschen, von denen nur die Namen und die Sterbedaten bekannt waren, war unter anderem mit einer Sterbeanzeige im „Schweinfurter Tagblatt“ eingeladen worden.

Überraschend viele Menschen sind gekommen, manche mit Blumen. Kerzen flackern, Buketts schaffen einen würdigen Rahmen. Nur einige wenige schwarze „Sozialurnen“ stehen vor dem bunten Glasfenster, die meisten wurden schon auf die Fläche für anonyme Bestattungen gebracht.

„Ordnungsrechtliche Bestattung“ lautet die offizielle Bezeichnung. Nun gab es, mit Unterstützung des  Ordnungsamts, eine kleine Gedenkfeier, bei der nicht das Offizielle, sondern menschliche Würde und Herzenswärme im Vordergrund stehen sollten.

„Gut, erfreulich, ja, segensreich ist es, dass sie heute die Regel gebrochen haben“, bedankt sich Joachim Werb bei der Trauergemeinde. Der Diakon der katholischen Stadtkirche hat den Anstoss für diese besondere Aussegnung gegeben, die elementare Fragen an die Lebenden stellt. "Anonym", das bedeute "a nomos", ohne Namen zu sein, so Werb, damit trostlos, aussichtlos, hilflos und würdelos. "Trauern heißt Erinnern" – aber was ist, wenn da nur noch ganz Wenige sind, die sich an den Verstorbenen erinnern? Einige Wegbegleiter sind dabei, unter rund 70 Gästen, auch jüngere Besucherinnen und Besucher. Pfarrer Mulugeta Giragn Aga vertritt die evangelische Kirche. Der Geistliche stammt aus Äthiopien.

„Sie wussten, da wird wieder ein Tor sein, am Ende des Lebens“, sagt Pfarrer Mulugeta, sei es nun in den Frieden, in die Heimat, in die ewige Ruhe. Es bleibe, so der Seelsorger, die Hoffnung, dass am Ende mehr ist als nur Nichts und Leere. Diakon Werb begleitet als Keyboarder die Kirchenmusiker Sabine Boujoung und Johannes Hofmann. „Somewhere over the rainbow“ ist zu hören, ebenso „Amoi seg ma uns wieder“ von Andreas Gabalier. Es gibt Gebete und eine Segnung. Die Namen und das Sterbealter werden im Wechsel verlesen: Dieter Stühler, 56 Jahre. Kilian Karl Günther, 77 Jahre. Siegfried Gerhard Hoffmann, 75 Jahre. Elli Marie Mittenzwei, 88 Jahre. Rudolf Andreas Siegel, 83 Jahre. Klaus Gollhardt, 72 Jahre. Ute Sieglinde Heerdegen, 64 Jahre. Gabriele Hildegard Schweizer, 73 Jahre. Roland Reinhold Stix, 65 Jahre. Irma Katharina Albert, 95 Jahre. Olha Patrashko, 40 Jahre. Dieter Schlereth, 74 Jahre. Ludwig Meister, 61 Jahre. Antonio Lobina, 83 Jahre. Otto Schmidpeter, 55 Jahre.

In Schweinfurt nehmen die „stillen Beisetzungen“ durch die Stadt tendenziell zu, mit etwa zehn bis zwanzig Fällen pro Jahr. Anonyme Bestattungen sind allgemein möglich, wenn der Verstorbene es in seinem Testament so verfügt.

Trauerfeiern für Unbekannte soll es in Zukunft öfters geben. „Ich hoffe, damit, im Verbund, eine Tradition begründet zu haben“, sagt Diakon Werb, dessen Frau über eine Dokumentation auf das Thema gekommen ist: Vorbild ist Halle, wo solche Gedenkfeiern schon seit einigen Jahren zur Bestattungskultur zählen. Möglich wurde die Feierstunde mit Sterbeanzeige dank Unterstützung der „Trauerhilfe Kalli Müller“, der „Main Post“ und beiden Kirchen. Um das Materielle soll es aber gerade nicht gehen: „Hinter jedem Namen steht ein Mensch“, betont der Diakon. Über das Schicksal der 15 Verstorbenen erhaben fühlen darf sich ohnehin niemand: Im Schnitt ist jeder Erdenbürger nach drei Generationen vergessen, auf dieser Welt.